Da sitze ich also da und blättere in einem Bürokatalog. Nennen wir ihn mal BrunoOffice.
Wir sind immer für sie da – versprechen die Macher des Kataloges. Das ist ja sehr schön. Aber kennen die Katalogmacher uns und unser Büroleben? Schauen wir uns heute den Katalog genauer an.
Gleich zu Anfang wundere ich mich. Denn ganz vorn sind die Sonderangebote. Da gibt es Korrekturroller im Nachfüllsystem. Die sind sehr nützlich für alles, was auf Papier korrigiert werden muss. Wer wüsste das nicht. Aber wieso gibt es gratis eine Duschcreme Mystic Moments dazu? Ist das handwerkliche Korrigieren so anstrengend, das man hinterher duschen sollte?
Nun denkt der Katalog schon an die geschäftliche Weihnachtspost und bietet uns entsprechend gestaltete Papiere und Umschläge an. Die Namen klingen schön: Red Tree, Winter Wonderland, Winter Glace, Christmas Eve. Es gibt auch die Sorte Allure. Sie können ja schon mal überlegen, welchem Kunden Sie das schicken.
Falls wir dazu auch noch was verschenken wollen, gibt es – jetzt NEU im Angebot – Präsentkörbe aus Wellpappe. Viereckig und Sechseckig. Einfacher Aufbau und sehr stabil. In verschiedenen Farben erhältlich. Damit nach Weihnachten nicht ein unüberwindlicher Müllberg im Büro entsteht, hat das Team vorgesorgt: diese Papp-Präsent“Körbe“ können umweltfreundlich und übers Altpapier entsorgt werden.
Hmmm, lecker, es gibt ja auch Weihnachtsgebäck zu bestellen. Zwar darf man über der Tastatur nicht knuspern, aber weiter hinten in der Rubrik Computer und Drucker gibt es ja eine neue Tastatur in Slimline-Form. Super.
Gemütlich blättere ich weiter. Hmmm, die Rubriken sind aufschlussreich: nach den Sonderangeboten und dem Weihnachtsspezial kommt als erstes die ORDNUNG. Nicht, das wir denken, eine neue Büroeinrichtung steht an erster Stelle. Nein, die kommt erst als Zehntes. Vorher geht es noch um Papiere, ums Schreiben und Kleben, Verpacken, Aufbewahren, Stempeln, Drucken und Auszeichnen. Gibt es wirklich so viel zu tun im Büro?
Die Dinge des Lebens sind ganz hinten angestellt: Küche und Waschraum teilen sich mit Hygiene, Catering und Lebensmitteln den allerletzten Platz. Danach kommt nur noch das Inhaltsverzeichnis. Dabei ist es so wichtig, Toilettenpapier und Kaffeemaschinen zur Verfügung zu haben. Spätestens, wenn sie fehlen, wird es brenzlig. Die optimale Reinigung im Büro findet auch erst hinten im Katalog statt – die Ordnung der ersten Rubrik betraf offensichtlich was anderes. Aber was?
Immer wieder sind es die eingestreuten Sonderangebote, die mich beim Blättern innehalten lassen: Wieso bekommt man, wenn man den Bürostuhl Fitness 2000 inklusive Armlehnen kauft, einen Türstopper gratis dazu? Und beim Multipack Tintenset ist eine Tüte Gummibärchen dabei? Bekommt der Chef nur dann einen neuen Stuhl, wenn er seine Tür offenhält? Muss ich mit Gummibärchen bestochen werden, um die Tintenpatronen zu wechseln?
Nun, es gibt in diesem Katalog genug Kuriositäten. Da finde ich mich in meinem Büroalltag nicht immer wieder. Aber irgendwie kennen die Leute von Bruno-Office uns doch. Bieten sie doch am Ende ein paar Schokoladenseiten an mit der Überschrift: Versüßen Sie sich den Tag. O.k. Das tun wir.
Manchmal sitze ich über einem Geschichtsbuch der Oberlausitz, vertiefe mich in die Zeit Karls des Vierten und mich überkommt Panik. Denn wenn ich jetzt umschalten müsste und mein momentanes Projekt weiterzeichen sollte – den Bauübersichtsplan der Engstelle in Xdorf – hätte ich mit meinem Blick aus dem Geschichtsbuch heraus keine Ahnung, wie ich das machen soll.
Am nächsten Morgen aber, im Büro, geht es ohne Zögern am Bauplan weiter. Ich kann also umschalten zwischen verschiedensten Welten. Obwohl ich ein Mensch und kein Apparat mit Schalter bin.
Trotzdem gibt es Dinge, die dieses Springen zwischen verschiedenen Schreibtischwelten erleichtern. Folgende sind mir eingefallen.
Nur Eine Sache zu einer Zeit machen – Baupläne wenn sie dran sind und Geschichte, wenn ich fernstudiere. Und möglichst auf eines konzentrieren
Daraus folgt aber ein Problem: Ideenblitze kommen aber sehr oft dann, wenn ich gerade anderen Welten bin. Wenn ich beispielsweise die Lösung für das Detail in der Brücke finde, während ich im Geschichtsbuch mit Karl dem Vierten flirte, dann schreibe ich mir das schnell auf eine Zettel und kann unbesorgt weiterflirten. Ich habe immer solche Zettel auf meinen Schreibtischen liegen, um Ideen von einer Welt in die andere tragen zu können.
Den Schreibtischwelten einen Platz geben – da habe ich es einfach, das Ingenieurbüro ist für das Bauwesen da, das heimische Arbeitszimmer für die Fernuni und der Alphasmart, mein heißgeliebter mobiler Schreibcomputer, für alles andere. Das Unterbewusstsein stellt sich mit der Umgebung auf den Gegenstand ein.
Ein besonderer und ein seltener Moment: das Leben liefert den richtigen Soundtrack.
Neulich fuhr ich im Auto zu einer Sitzung, auf die ich mich nicht sonderlich freute. In Gedanken sortierte ich meine Pflicht-Projekte und seufzte. Sollte ich mich trotz des vollen Lebens auf meine Forschungen zur Zittauer Stadtgeschichte stürzen? Klar, genau das macht mich glücklich. Aber reicht die Zeit, die Kraft, die Geduld?
Es war grau um mich herum, nur die rote Ampel erhellte meine Welt. Ich machte das Autoradio an, Figaro, meinen Lieblingssender. Und da kam es: Carly Simon sang einen alten Beatlessong:
Blackbird singing in the dead of night / Take these broken wings and learn to fly /
all your life / You were only waiting for this moment to arise
Der scharze Vogel Amsel singt, wenn die Nacht stirbt:
Nimm Deine gebrochenen Flügel und lerne das Fliegen.
Dein ganzes Leben lang
Hast du auf diesen Moment gewartet
um abzuheben.
Manchmal passen Musik und Leben genau zusammen.
Schreiben und andere kreative Wege durch den Tag
Schreiben,
sich selbst verlieren,
auf kreativen Wegen
durchs Leben gehen,
Inspirationen sammeln,
sich wieder finden.