Es war nur ein ganz normaler Tag am Büro. Ruhig und ebenmäßig. Ich habe weiter am Bewehrungs-Plan gezeichnet. Mit normaler Konzentration. Nicht überfliegermäßig, aber auch verbissen und mit Kopfschmerzen.
Am schönsten fand ich die „Ruhe“ bei uns im Büro. Manchmal ist mein Schreibtisch im Büro der ruhigste Platz, den ich am Tag habe. Klingt seltsam, ist aber so. Dort habe ich nur eine Aufgabe auf einmal zu bewältigen.
Das ist ein deutlicher Gegensatz zu meiner Schreibtischwelt daheim, wo ich selten ungestört bin. Denn dort teile ich meine Rollen auf, weil meine innere Hausfrau und meine quicklebendigen Kinder auch da sind. Dort muss ich mir die Anweisungen selbst geben. Weiter an der Bachelorarbeit oder doch die nächste Sitzung fürs Ehrenamt vorbereiten? Mache ich heute überhaupt noch was. Und was?
Im Büro gibt mir mein Chef die Aufgaben. Das hat seine Vorteile. Zuhause bin ich mein Chef und ich bin zaudernd. Gestern habe ich mir selbst frei gegeben, aber gleichzeitig war ich ja Chef und war in dieser Rolle ziemlich sauer, weil nichts voranging.
Deshalb vielleicht hab ich heute meine Welt im Büro so genossen. Auch wenn keine Heldentaten zu vermelden waren. Es müssen nicht immer Heldentaten sein, gleichmäßiges Tun ist es, was die Welt voranbringt. Das sollte ich meinem inneren Chef zu Hause sagen.
Ab jetzt gibt es Anfang der Woche immer ein Bild mit einigen Gedanken dazu. Diesmal ein Foto, dass ich gestern, also am 25. September in einem Wald bei Herrnhut aufnahm. Beim späteren Betrachten fiel mir auf, dass es Frühlingsstimmung verbreitet ... mitten im September!
In letzter Zeit zeichne ich oft Bauwerkspläne. Darauf ist der Bestand einer neu gebauten Brücke oder einer Stützmauer zwischen Straße und Bachlauf zu sehen. Als Grundlage dienen mir die Entwürfe und Baupläne. Man könnte ja sagen, dort ist schon alles drauf, wieso will das Straßenbauamt auch noch so einen Bestandsplan von der neu errichteten Brücke?
Weil fast nie exakt so gebaut wird, wie man es plant. Irgendwas kommt anders, die Maße müssen „bauseits“ angepasst werden oder der Bodenaustausch erfolgt ganz anders als ursprünglich gedacht und ändert alle folgenden Arbeiten.
Als ich darüber nachdachte, war es mir eine sehr tröstliche Tatsache. Wenn in unserer technischen Zeit mit all ihren Möglichkeiten nichts exakt so gebaut wird, wie es geplant ist, dann kann auch mein Tag anders laufen, als ich es geplant habe.
Vielleicht wollte ich heute neben der Schreibtischarbeit die Wäsche erledigen und endlich mal wieder wandern gehen. Dann aber war ich so erledigt von der Schreibtischwelt im Büro, dass es nur zum Sitzen auf der Treppe vor dem Haus gereicht hat.
Und die Wäsche wartet noch. Die kann morgen dran kommen, denn auch wenn es anders gekommen ist, gekommen ist es ja und warum sich deshalb schlecht fühlen? Das Gebäude dieses Tages ist anders geworden. Aber es ist da. Na also. Pläne sind gut, aber sie sind nicht alles. Jetzt zeichne ich einen liebevollen Bestandsplan von diesem Tag, ohne mich allzu sehr um die Entwürfe zu kümmern.
Diesen kleinen netten Pfeil, meist blau und nach links gebogen, den kenne Sie doch auch? Also ich liebe ihn. Denn er kann alles RÜCKGÄNGIG machen, was ich mir eingebrockt habe.
Falsche Stützwandseite eingefärbt? Kein Problem, ein Klick auf den Pfeil und alles ist so wie vorher. Aus Versehen den ganzen Abschnitt gelöscht? Klick: da ist er ja schon wieder.
Besonders zu schätzen weiß ich das, weil ich ab und zu mit einem anderen, ziemlich alten Zeichenprogramm arbeite. Und dort gibt es eine solche Funktion nicht. Wie oft hab ich mir das dort gewünscht. Wenn ich die gesamte Schraffur versehentlich in die verkehrte Richtung geschoben habe und sie nun mühsam Stück für Stück wieder zurück holen muss. Dann wünsche ich mir den blauen Pfeil.
Manchmal wünsche ich mir den auch im Leben. Die falsche Hose gekauft, den falschen Beruf ergriffen, die verkehrten Worte gesagt. Wie schön wäre es da, man könnte mit einem Klick alles wieder in Ordnung bringen.
Aber leider, das Leben ist kein Programm mit einer Funktion aufs Rückgängig machen. Ich weiß es von meinem alten Zeichenprogramm – wenn ich damit arbeite, bin ich vorsichtiger als bei den Programmen mit den komfortablen zeitgemäßen Möglichkeiten. Das sollte ich mir fürs Leben merken – vorsichtig sein und nur solche Fehler machen, mit denen ich leben kann.
Schreiben und andere kreative Wege durch den Tag
Schreiben,
sich selbst verlieren,
auf kreativen Wegen
durchs Leben gehen,
Inspirationen sammeln,
sich wieder finden.