Behindert euch nicht gegenseitig. Wir brauchen einander.

Den Film 24 Wochen werde ich mir nicht ansehen. Schon der Gedanke an die Abtreibung eines behinderten Kindes macht mich fassungslos. Lieber lese ich in der Biografie von Henri Nouwen, der seine glänzende theologische Karriere aufgab. Statt dessen zog er in die Archegemeinschaft, in der behinderte und nicht behinderte Menschen miteinander leben. Dort fand er die innere Ruhe, nach der er immer gesucht hatte.

 

In meinem Leben gab es keine bewusste Entscheidung für oder gegen ein Leben mit Behinderung. Unser Sohn wurde mit 3 Jahren krank und lebt seither mit Einschränkungen. Das spielt in diesem Blog selten eine Rolle, weil es in meinem Leben ein Aspekt unter vielen ist. Gelungene Inklusion, könnte man meinen. Zugegeben, es ist oft nicht der leichteste Teil. Jeden Tag gilt es Ja zu sagen. Aber das ist es, was mich weiser, stärker und verständnisvoller macht. Mein Sohn lebt, voller Energie und Freude.  

 

Der Umgang mit Behinderung ist ein weites Feld, das ich hier nicht beackern will. Sehr empfehlen kann ich den Blog stufenlos.

Aber zwei Dinge liegen mir heute am Welt-Down-Syndrom-Tag besonders am Herzen:

 

1. Es ist falsch, den Wert eines Menschen allein an seiner Leistung und makellosen Gesundheit festzumachen. Ich halte diesen Optimierungswahn unserer Leistungsgesellschaft für gefährlich. Und uferlos.

 

2. Behinderung ist kein Synonym für Belastung und Problem. Das Leben ist vielfältig und zum Glück sind wir nicht alle gleich:  

Keiner kann alles. Niemand kann nichts. Wir brauchen einander.

  

„Hauptsache gesund“ sagen wir, wenn ein Baby auf die Welt kommt. „Hauptsache geliebt und angenommen“ ist die menschlichere Variante. 

 

Prager Mauerbilder

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Kommentare: 6
  • #1

    Jennifer (Montag, 21 März 2016 16:58)

    Dankeschön.

  • #2

    mano (Montag, 21 März 2016 17:21)

    "zum glück sind wir nicht alle gleich" - diesen satz unterstütze ich voll und ganz.
    liebe grüße, mano

  • #3

    Edith (Montag, 21 März 2016 17:44)

    Geliebt und angenommen, liebe Lucia, das ist gut. Im Gegensatz zu den Eltern heute hatten wir früher nicht die Wahl. Das war so und so war es gut, für mich jedenfalls.
    Wenn heute Ärzte zu einem Abbruch raten, möchte ich nicht in der Haut der Eltern stecken. Egal, welche Entscheidung sie treffen, sie wird sie ihr Leben lang nicht loslassen. Ich würde mir auch kein Urteil darüber anmaßen. Mir ist ein Fall in Erinnerung, wo das erste Wunschkind mit verkrüppelten inneren Organen auf die Welt kam, nicht lebensfähig war und nach der Geburt starb. Dann kam ein gesundes Kind auf die Welt. Es sollte ein Geschwisterchen bekommen. Die dritte Schwangerschaft endete wie die erste. Schwangerschaft vier war der reinste Horror für die schwangere Frau. Die Schwangerschaft wurde von der Uniklinik Kiel überwacht, um gegebenenfalls einen Abbruch vorzunehmen. Die Eltern mußten sich nicht entscheiden. Ein gesundes Kind wurde geboren. - Im Bekanntenkreis meines Sohnes haben die Eltern sich gegen das Angebot der Ärzte für einen Abbruch für das Kind entschieden. Jetzt nach inzwischen einem Jahr liegen die Nerven der Eltern blank. Beide sind am Ende. Das arme Würmchen hat schon so viele Operationen über sich ergehen lassen müssen. Niemand weiß, wie das enden wird.
    'Hauptsache gesund', das wissen wir beide, liebe Lucia, ist auch keine Garantie. Ich hatte das schon erwähnt.
    Kinder mit dem Down-Syndrom sind ganz liebenswerte Menschen, die - richtig gefördert - ein ziemlich selbständiges Leben führen können.
    Liebe Grüße, Edith

  • #4

    Birgitt (Montag, 21 März 2016 20:47)

    ...wie oft ich das in meiner Arbeit erlebe, liebe Lucia,
    dass ein Mensch mehr behindert wird als er selber eingeschränkt ist...von erfolgreicher Inklusion weit weg...aber es gibt auch andere Beispiele...
    schön hast du das beschrieben: Hauptsache geliebt und angenommen...

    lieber Gruß
    Birgitt

  • #5

    Lucia (Mittwoch, 23 März 2016 09:04)

    Danke für Eure Worte.
    Lucia

  • #6

    Erika (Montag, 04 April 2016 22:31)

    Danke für diesen Appell, liebe Lucia!
    Ich bin immer wieder fassungslos über Sinnlosigkeiten der von Dir berichteten Art. Auch wenn ich nicht "richten" will, bleibt bei den Gedanken daran ein schaler Geschmack. Wenn es darum geht, "weniger wertvolles" Leben zu "beenden", wenn scheinbar kein Ausweg gesehen wird. (Auch der Gebrauch der vielen Gänsefüßchen, spiegelt etwas davon wider.)
    Gerade habe ich aber auch Bedauern, dass unsere Gesellschaft nicht in der Lage ist aufzufangen, wo eine/r alleine es nicht schaffen kann. Doch dies ist ein weites Feld, da gäbe es so vieles mehr.

    Herzliche Grüße
    Erika